Lübeck – Lübeck Teerhofinsel

Normalerweise sause ich unter dem großen ‘Bad Schwartauer Schild’ an der Lübecker A1 vorbei und denke an Vieles, lasse mein Auge schweifen auf die freie Landschaft und auf den Nebenarm der Trave und seine Freizeithäfen. Im Winter alle Boote an Land fein aufgereiht und wettersicher verpackt und im Sommer majestätisch im Wasser, manchmal mit glitzernder Sonne, ein schönes Bild. Landschaft eben.

Nun aber, sitze ich in eben jenem Hafen, der Hansa Werft, auf der Teerhofinsel nahe Lübeck. Auf unserem Boot. Ich bin mal wieder durch emotionale Wellenberge und -täler gereist, so dass der abendliche Zustand wieder einmal nur als skuril bezeichnet werden kann. Am traumhaften Maiwetter mit optimalen Reisebedingungen liegt es definitiv nicht.

Der Morgen fing superexpigaligetisch an.Wir hatten die Nacht am Schrebergartenanleger eines Freundes im Lübecker Lachswehrkanal verbracht. Wir frühstückten in größerer Runde im Garten. Der Sommer 2018 nahm gerade erst Fahrt auf und alle streckten sich noch hungrig nach der Sommerwärme der Sonne entgegen, es war ja noch nicht zu ahnen was für einen nicht endenden Dauersommer wir bekommen würden.

Mein Mann schmiss für die entspannte Runde den Schwingschleifer an und frischte mal eben unsere Bodenplatten auf, klebte den noch fehlenden Schriftzug aufs Boot, schmierte die Antriebswelle und machte auch noch Sonstiges. Samstag in Deutschland, egal ob zu Hause, auf dem Campingplatz, im Schrebergarten oder nun eben am Boot. 

Gegen Mittag legten wir ab und die fünfköpfige Frühstücksrunde setzte sich ebenfalls in ein kleines 5m-Dingi. Echt super in Lübeck als Stadtmobil, mit einem Drehstuhl aus dem Friseursalon als Steuerstand und einem einfachen Bürostuhl für den Co-Kapitän aufmontiert. Bester Stadtrundfahrtrundumblick garantiert.

 

 

 

Wir machten uns auf in Richtung Norden zur Hubbrücke. Hinter der Hüxbrücke legten wir an. Backbord gibt es 30 m vom Anleger entfernt die Möglichkeit bei Aldi und anderen Läden einzukaufen oder in die Innenstadt zu gehen und Steuerbord gibt es in 50 m Entfernung eine Tankstelle. Beste Versorgungsmöglichkeiten also.
An der Kaimauer treffen sich die Lübecker in der Sonne. Wir pausierten noch alle an Deck und genossen den ruhigen und grünen Platz mitten in der Stadt.
Unser “Begleitboot” prüfte die Durchfahrtshöhe der Hubbrücke und meldete: passt nicht. Wir telefonierten mit dem Brückenwart, legten ab und steuerten unter der für uns hochfahrenden Brücke in die Zusammenführung der Trave. Zur Linken das schöne Lübecker Stadtpanorama mit seinen Türmen und Giebeln, aus ganz neuer Perspektive. Zur Rechten: auf zur Ostsee und unserem Heimathafen und noch offen, wie weit wir heute noch fahren, Travemünde wäre toll. Vorbei am gut besuchten Kai-Restaurant, den Duft von Waffeln in der Nase und den Gedanken an Essen im Kopf.

Die Welt ist gerade mal einfach nur schön. 

Wir tuckerten dahin und ich ging kurz rein und runter in den Bug, um mir eine Jacke gegen den Wind zu holen. Kaum angekommen, wundere ich mich wieso der Motor so ruckelt, drehe mich um, der Motor ging aus und ich stand von jetzt auf gleich in einem dicht verqualmten Boot. Es qualmte schwarz-grau aus der leeren Displaybuchse im Armaturenbrett und genauso seitlich, aus der Elektrikklappe. Schnell alles abgestellt was noch nicht aus war. Der Salon war komplett verräuchert und wir konnten gerade noch mit dem letzten Schwung des Bootes bis zur Kaimauer gelangen.

 Nachdem wir nun schon achtmal geschleust und jedesmal an anderen Festmachern angelegt hatten, konnten wir am einzigen Poller in Sicht gut anlegen. Hier machten sonst größere Schiffe zum Laden fest und die eigentlichen Poller standen entfernt und schienen mir für uns überdimensioniert. Ich hatte vorher durchaus schon mal unsere unhandlichen 2 x 20 m Taue verwünscht, in Kürzere. Wat’n Tüdelkram die langen Dinger manchmal waren. Jetzt waren sie super!
Ach ja, der Motor.

Hier sind die Aufgaben klar verteilt und das ist auch gut so. Ich habe meine minimalistischen Motorkenntnisse aus den 80ern und in der Zeit hatte mein Kapitän schon eine Autowerkstatt und ist daher mit unserem Mercedes OM 167 (5 Zylinder, 3-l Hubraum) quasi per du.
Bodenklappen hoch, Qualmwolken raus. Es kam ein im unteren Bereich ölversprotzelter Motorraum zum Vorschein. (Gedanke von irgendwoher: … gerade alles durchgewischt und nun so was …). In der Bilge stand das Öl. Schätzungsweise fünf Liter. Zum Glück durch die Schotten begrenzt. Ich assistierte beim Auslöffeln der Suppe. Da saß nun mein persönlicher Cola-Man 1,20 m unter mir und schuftete im schwarzen Gold. Zum Glück ausreichend bestückt mit kräftigen Müllsäcken, ließ sich die Sauerei gut zwischenstauen.

Natürlich war es Samstagabend, 17.30 Uhr. Wann sonst, o.k., vielleicht noch Sonn- oder Feiertag. Trotzdem tat sich eine spontane Hilfskette auf. Unsere Begleitbootfreunde saßen inzwischen beim Grillen im Schrebergarten. Mit dem inzwischen ausgebautem Öldruckschalter in der Hand, wurde Olaf mit Shuttleservice abgeholt und in den Schrebergarten gefahren. Dort direkt zum Nachbarn A., der schon mit Schweißgerät parat stand und seines Zeichens eine tiefere Verbindung zu Motoren und ihrem Schraubbedarf hatte.

Von der Grillrunde noch zwei lecker gewürzt und fertig gegrillte Steaks zum Mitnehmen bekommen. Läuft!
Vielen Dank an all die Hilfe und Unterstützung die man auf so einer Tour erfahren kann, und hier auch ganz im Speziellen.

Es war zu Beginn gut diagnostiziert. Die kleinen Hoffnungsschimmer, dass es eventuell doch kein Totalschaden sein könnte, wurden alle ausgelotet, scheiterten aber allesamt. Der Motor war ein Totalschaden.

Ich war auf dem Boot geblieben während der Garten-Reparatur-Tour und hütete die Leinen. Ich rief einen Freund an. Ein junger Mann aus Syrien, den wir hier in Deutschland begleiten und der um die Ecke wohnt, da er eine Ausbildung in Lübeck macht. So bekam ich entspannten Besuch an Bord, trank Kaffee und war trotz allem guter Dinge. Ist halt blöd und und und, aber hilft ja nix. Isso wies is.

Die Lage war deutlich: Der Motor bringt uns heute nirgendwo mehr hin. Aber wir haben noch einen 9 PS Außenbordmotor. Mir hat beim Kauf schon eingeleuchtet, dass das eine gute Sicherheit ist, aber dass der nun schon so schnell unsere Rettung werden sollte … hatte ich nicht erwartet. Wir sprachen unterwegs darüber ihn bald auszuprobieren, um dann im Notfall zu wissen, was wir davon erwarten können.

Unser Boot wiegt runde 9 to und das nun mit 9 PS. Schaun mer mal.

Inzwischen halb acht am noch sonnigen Abend, der Motor surrte los und das Boot kam gaaanz langsam in Bewegung. Fahrt wäre eine noch etwas übertriebene Beschreibung, aber bestens geeignet zum Ablegen mit kaum Steuerung. Das Boot fuhr konstant 5 kmh.

Lübeck und der stundenlange Waffelduft, der keiner war, verschwanden. Wir hatten direkt vor der Müslifabrik ‘Brüggen’ angelegt und das roch zumindest lecker und nicht nach Motoröl. Zum Glück gab es keinen weiteren Verkehr, denn unsere Manövrierfähigkeit war gefühlt nicht vorhanden oder fand irgendwo weit hinter uns statt.. Wir telefonierten mit den nächsten Bootshäfen und Werften an der Teerhofinsel. Die Hansa Werft nahm uns auf, aber freie Plätze sind rar. Und was soll man antworten auf die Frage: Für wie lange? Hey, ich würde gern sagen: Nur für eine Nacht! Aber der Hoffnungsschimmer ist eigentlich schon gesunken.

Wir steuern bzw. driften gemächlich Backbord in den zweiten Travearm. Natürlich kommt uns in diesem Manöver das einzige Boot entgegen, als wir abbiegen wollen. Nun langsam an allen kostspieligen Booten vorbei, um die gefühlt nicht endende Biegung.

Landmarke ist „… am gelben Kran links vorbei und dann an die Spundwand mit zwei gelben Pollern“. Wir gleiten friedlichst an allem vorbei und sehen schon das Endes des Hafenbeckens auftauchen. Sackgasse. Zur Linken der gesamte Motorbootclub versammelt, in bester Laune am Bierwagen: heute war anschippern. (Haben wir unterwegs schon gelernt: die erste gemeinsame Club-Ausfahrt. Spätestens ab Ende gut begossen.) Freundliches Armewinken und der Ruf : “Ihr müsst umdrehen und weiter vorne hin … hier ist kein Platz … “(im versetzten Kanon).

Die Hafenmauer frontal näher kommend im Blick rief ich nur zurück: “Wir haben Mororschaden, wir sind manövrierunfähig!!“ Nun kam Bewegung in die Gruppe. Endlich, ich bekam ein Gefühl von Land in Sicht, obwohl es nur knappe 10 m entfernt war. Rückwärtsgang rein und langsamst aber zielgerichtet 50 m zurück und rein in die freie Gastbox. Die Helfer nahmen rechts und links die Leinen an und so zogen wir uns an die Kaimauer, mit komfortablem Treppchen vor der Bugspitze. Geschafft. Ankommen und Erlebnisgespräche. Erste Info zur Werft und Treseneinladung, kommt mal erst mal was trinken auf den Schreck, das kennen wir ja auch … Die Gruppe von etwa 15 löste sich langsam auf, noch Austausch über andere Motorschadengeschichten und Ruhe.

Essen, das gute fertige Nackenstaek auf Vollkornbrot. Pur und so lecker nach einem erneuten Tag mit unerwartet viel Erlebnissen und dafür wenig Essen.

Bierwagen zur fortgeschrittenen Stunde ist nicht meins. Im Lokal tönte leise deutsche Partymucke und man saß in Gesprächen. Draußen am Bierwagen dröhnte die Bluetooth-Röhre mit Party-Techno. Die Umstehenden hielten bei den Dezibel locker mit und nach kurzen Small-Talks „… Segler oder Motor?” u.ä., gingen wir zurück an Bord. Reicht für heute an Unterhaltung.

Es kehrte Ruhe ein. Das zweite Mal saßen wir beide am Rechner und pflegten unsere digitalen Projekte. So soll es sein, das nächste Mal gern ohne Motorbremse.

Erkenntnis des heutigen Tages:

  • Schau nicht, wohin du willst, sondern wo du ankommst.
  • Es sitzt sich im Hafen mit und ohne Motor gleich.
  • Wir wollten ja offen bleiben wo wir heute landen.