Nach dem gestrigen Tag wünschte ich mich nur noch nach Hause und zwar auf dem direktesten Weg. Inzwischen ist dieser Wunsch in einem dreistündigen Fußmarsch zu realisieren, alternativ könnte ich einen anderen Mitfahrer akquirieren, aber es siegt doch mein Crew-Gefühl und ich bleibe tapfer an Bord. Der Blick auf die Wetter-Apps sagt nichts Gutes. So wie gestern, nur noch mehr Ostwind. Also vor der Abfahrt gleich alle fliegenden Möbel umgelegt oder verkeilt und mutig drauf los. Heute ist es die letzte Etappe, wir haben doch schon so viel geschafft und durchgestanden, da runden wir das jetzt noch ab. Gegen Seekrankheit mit den Nursea-Bändern gewappnet und Leinen los.

Bis Dameshöved war es nach dem gestrigen Erlebnis noch alles im Rahmen. Nicht angenehm, aber aushaltbar. Mit dem passieren des Leuchtturms verlässt man die Lübecker Bucht, der Küstenverlauf geht stracks auf Nord/Süd und der Ostwind hatte uns voll im Griff. De Kapitän kämpfte sich im Zickzack gegen die Wellen, so dass wir nicht durchgehend vollends durchrollten, aber den Unterschied konnte ich kaum würdigen. Es dauerte ewig, war anstrengend und heute mangels ablenkender Seekrankheit auch wirklich beängstigend. Ir-gend-wann war es geschafft und wir erreichten den Großenbroder Binnensee. Keine Welle, kein Gerolle, sondern zielgerichtet durchs Wasser fahren. Das gibt es doch noch, ich hatte es schon nicht mehr geglaubt. Nun mussten wir nur noch unseren Liegeplatz finden. Dafür drehten wir noch eine desorientierte Ehrenpirouette vor dem Seenotrettungskreuzer. Die Orientierung hatte nach dem Durchschaukeln der vergangenen Stunden etwas gelitten.
Wir hatten es geschafft. 234 km für die erste Fahrt und lediglich Überführung des Schiffes. Mein sportlicher Kapitän hatte auf dem winterlichen Sofa noch so Ideen gehabt, das mit einem dreitägigen Wochenendtrip zu erledigen. Bei optimalen Bedingungen und 12 Std. Fahrt am Tag vielleicht auch machbar, aber unsere erste Reise war eine echte Etappenreise mit unerwarteten emotionalen Hochs und Tiefs. Aber wie immer, wenn das Boot festgemacht, der Motor aus und die Rettungsweste abgelegt ist, breitet sich ganz langsam ein entspanntes Gefühl aus.